Anlagebetrug: Lichtschimmer für betrogene Anleger

Betrugsfälle sind bei der Kapitalanlage nicht selten. Bei so genanten Schneeballsystemen wird die versprochene Rendite gar nicht erwirtschaftet, vielmehr stammen die Gewinnausschüttungen aus den Einzahlungen neuer Anleger. Und viele Anleger legen die vorgetäuschten Gewinne direkt wieder an – bis das ganze System zusammenbricht und der Anlagebetrug auffällt. Reingefallene Anleger sind dann gleich doppelt bestraft: Zum einen ist das Geld weg, zum anderen sollen sie auf die vorgegaukelten Scheingewinne auch noch Steuern zahlen. Das jedenfalls ist die harte Linie des Bundesfinanzhofs.

  • Im Jahre 2008 hatte der BFH kaltherzig geurteilt, dass Gewinne aus betrügerischen Anlagemodellen, z.B. Schneeballsystemen, als Kapitalertrag zu versteuern sind. Dies gelte selbst dann, wenn die Gewinne nur auf dem Papier bestehen und die Anleger den kriminellen Hintergrund durch den Anlagebetrug nicht kannten. Zu versteuern sind die Scheingewinne zu dem Zeitpunkt, zu dem sie gutschrieben wurden. Dies gilt auch dann, wenn de facto niemals Geld geflossen ist (BFH-Urteil vom 28.10.2008, VIII R 36/04).
  • Im Jahre 2010 hat der BFH seine strenge Rechtsprechung zum Zufluss von „Scheinrenditen“ aus betrügerischen Schneeballsystemen präzisiert: Gutschriften aus Schneeballsystemen unterliegen bereits dann der Einkommensteuer, wenn der Betreiber des Systems im Zeitpunkt der Gutschrift zur Auszahlung bereit und in der Lage gewesen wäre (BFH-Urteil vom 16.3.2010, VIII R 4/07).
  • Im Jahre 2014 hat der BFH seine bisherige Rechtsansicht zum Anlagebetrug starrsinnig bekräftigt: Als Kapitalertrag steuerpflichtig sind nicht nur die tatsächlich ausgezahlten Zinserträge aus Schneeballsystemen, sondern auch die Zinsgutschriften sowie die Wiederanlage fälliger Zinsbeträge, sofern der Betreiber leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre (BFH-Urteil vom 11.2.2014, VIII R 25/12; BFH-Urteil vom 2.4.2014, VIII R 38/13).

Aktuell hat der Bundesfinanzhof seine Auffassung zur Steuerpflicht erneut bestätigt, zugleich aber eine Lanze für betrogene Anleger gebrochen: Einerseits stellt der BFH klar, dass Kapitaleinkünfte in Form von Scheinrenditen aus einem betrügerischen Schneeballsystem steuerpflichtig sind. Dies gilt gleichermaßen, ob sie ausgeschüttet oder wieder neu angelegt werden.

Andererseits betont er zugunsten der Anleger, dass deren Steuerpflicht erledigt ist, wenn der Schuldner von den Gewinngutschriften Abgeltungsteuer einbehalten hat. Die Abgeltungswirkung tritt auch dann ein, wenn der Schuldner die einbehaltene Steuer tatsächlich nicht an das Finanzamt abgeführt hat. Diese Kapitalerträge muss der Anleger jedenfalls nicht mehr in seiner Steuererklärung angeben (BFH-Urteil vom 29.9.2020, VIII R 17/17; BFH-Urteile vom 27.10.2020, VIII R 42/18 und VIII R 3/20).

  • Nach Auffassung des BFH sind die ausgewiesenen und teilweise ausgezahlten Scheinrenditen den Anlegern in voller Höhe als Kapitaleinkünfte im Zeitpunkt der Gutschrift zugeflossen. Dies gilt auch für die Gewinne, die wieder neu angelegt wurden.
  • Die Scheingewinne aus dem Anlagebetrug sind jedoch nicht (erneut) der Einkommensteuer zugrunde zu legen, da die Einkommensteuer für diese Kapitaleinkünfte durch den Einbehalt der Kapitalertragsteuer bzw. Abgeltungsteuer abgegolten ist. Die Abgeltungswirkung tritt mit dem Steuerabzug ein; ob der Schuldner die Steuer tatsächlich an das Finanzamt abgeführt ist, ist hier unerheblich. Da der Schuldner bezüglich des Steuerabzugs als „Inkassostelle“ des Fiskus fungiert, trägt der Fiskus – und nicht der Anleger – das Risiko des Zahlungsausfalls.

Aktuell hat auch der Bundesgerichtshof ein Empfinden für geschädigte Anleger: Wenn Anleger gegen Betreiber von Schneeballsystemen vor Gericht ziehen und Schadensersatz fordern, brauchen sie nun zunächst keine Beweise mehr für den Anlagebetrug vorzulegen.

Es genügt, wenn der Geschädigte „Umstände vorträgt, die das Betreiben eines Schneeballsystems als naheliegend erscheinen lassen. Den Schädiger trifft in solchen Fällen eine sekundäre Darlegungslast. Er hat sich im Rahmen der ihm obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen des Geschädigten zu äußern, anderenfalls gilt das Vorbringen des Geschädigten als zugestanden“ (BGH-Urteil vom 4.2.2021, III ZR 7/20).

  • Grundsätzlich ist es Sache des Geschädigten, die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 826 BGB oder einer deliktischen Haftung wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes darzulegen und zu beweisen. Dieser Grundsatz ist aber eingeschränkt, wenn der Geschädigte keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während der Schädiger die wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesen Fällen trifft Letzteren die sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen und sich zu den Anschuldigungen zu äußern. Genügt der Schädiger seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Geschädigten als zugestanden. Erst dann, wenn der Schädiger seiner sekundären Darlegungslast genügt, ist es Sache des Geschädigten, für seine Behauptung sprechende Umstände darzulegen und zu beweisen.
  • Die Richter stellen klar: Ist absehbar, dass bei einem Anlagemodell die den Anlegern versprochene Rendite nicht aus den Erträgen des Anlageobjekts, sondern aus den Einlagen weiterer Anleger bedient werden wird (sog. „Schneeballsystem“), erfüllt dies regelmäßig sowohl die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB als auch diejenigen eines Eingehungsbetrugs gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.

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