Kontenspionage: Pro Tag rund 6.000 heimliche Kontenabrufe

Mit Hilfe der automatisierten „Kontenspionage“ können die Behörden heimlich, still und leise feststellen, wer wo wie viele Konten und Depots hat, wann die Konten eröffnet und geschlossen wurden. Davon erfahren die betroffenen Bürger und Banken nichts. Nicht ersichtlich sind jedoch Kontenstände und Kontenbewegungen. Dafür muss gezielt bei den betreffenden Banken nachgefragt werden.

Bei den Kontenabrufen sind zwei Formen und Wege zu unterscheiden:

  • Steuerliche Kontenabrufe: Finanz- und Sozialbehörden können Kontenabfragen über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) starten (§ 93 Abs. 7 und 8 AO). Diesen Weg nutzen auch Gerichtsvollzieher und Jugendämter sowie die Vollstreckungsbehörden von Bund und Ländern.
  • Strafrechtliche Kontenabrufe: Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften dürfen ebenfalls Konten und ihre Besitzer aufspüren und nutzen dazu die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Auch die Steuerfahndungsstellen der Finanzämter sowie die Zollfahndungsstellen gehen über die BaFin (§ 24c KWG).

Aktuell ist für das Jahr 2020 – wie bereits in allen Vorjahren – wieder von einem zweifelhaften neuen Rekord bei der „Kontenspionage“ zu berichten: Finanzämter und Sozialbehörden einschließlich Gerichtsvollzieher und Jugendämter haben im vergangenen Jahr mit ihren heimlichen Kontenabfragen erstmals die Millionengrenze überschritten! Es waren sage und schreibe 1.014.704 Abfragen – und damit rund 100.000 mehr als im Jahr zuvor! Beim Start im Jahre 2005 waren es gerade mal 8.700.

Doch selbst dieser unrühmliche Rekord ist noch nicht die ganze Wahrheit: Zusätzlich zu den Kontenabfragen der Finanz- und Sozialbehörden haben Polizei, Staatsanwaltschaften, Zoll- und Steuerfahndung weitere 289.861 (Vorjahr: 186.575) Kontenabrufe vorgenommen. Insgesamt sind dies 1.304.565 Kontenabfragen (Vorjahr: 1.101.832). Das heißt: Jeden Arbeitstag wurden durchschnittlich rund 6.000 Bürger ausgeforscht (Vorjahr: rund 5.000)! Wahnsinn: 1.000 Bürger mehr als im Vorjahr!

Seit 2013 dürfen auch Gerichtsvollzieher das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) um einen Kontenabruf ersuchen. Seit November 2016 ist dies sogar dann zulässig, wenn die zu vollstreckenden Ansprüche weniger als 500 EUR betragen. Dies führt dazu, dass allein die Gerichtsvollzieher im Jahre 2020 über 666.000 Abrufe getätigt haben (2019: 603.000).

Eine Verschärfung der Kontenspionage gibt es seit 2020: Jetzt sind die Banken verpflichtet, neben den bisherigen Parametern (Name, Vorname und Geburtsdatum) auch die Adresse und die steuerliche Identifikationsnummer an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Durch die Übermittlung dieser weiteren Parameter ist eine noch genauere Auswertung der Abrufergebnisse durch das Bundeszentralamt möglich.

Früher durften die Daten in der Bankendatei drei Jahre nach der Auflösung des Kontos oder Depots gelöscht werden. Doch seit Juli 2017 ist dies erst nach Ablauf von zehn Jahren nach der Auflösung des Kontos oder Depots erlaubt. Das heißt: Bis zu 10 Jahre nach Auflösung des Kontos müssen die Banken die gespeicherten Daten noch vorhalten (§ 24c Abs. 1 Satz 3 KWG).

Um die Effizienz des Kontenabrufverfahrens zu verbessern, wurde das bisher überwiegend schriftlich durchgeführte Kontenabrufverfahren durch ein elektronisches Abrufverfahren ersetzt, das zur Pflicht wird. Nur so kann – so die Gesetzesbegründung – eine zuverlässige und schnelle Bearbeitung der Abrufersuchen sichergestellt und Übertragungsfehler bei der Bearbeitung papiergebundener Kontenabrufersuchen vermieden werden. Nunmehr sind sowohl die Kontenabrufersuchen, als auch deren Beantwortung durch das Bundeszentralamt für Steuern auf elektronischem Weg zu übermitteln (§ 93 Abs. 8a AO).