Erwerbsminderungsrente: Kein Steuervorteil für rückwirkende Rentennachzahlung

Nicht selten werden Renten oder Pensionen nach Streitfragen für mehrere Jahre in einem Betrag nachgezahlt. Eine solche Rentennachzahlung gilt steuerlich als „Vergütung für mehrjährige Tätigkeit“ und gehört damit zu den außerordentlichen Einkünften. Diese außerordentlichen Einkünfte sind mit dem maßgeblichen steuerpflichtigen Besteuerungsanteil nach der sog. Fünftel-Regelung begünstigt. Vorausgesetzt, die Nachzahlung erstreckt sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume und umfasst einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG).

Eine Rente wegen Erwerbsminderung wird oftmals rückwirkend bewilligt für eine Zeit, in der zunächst Arbeitslosengeld oder Krankengeld gezahlt worden ist. Die rückwirkend bewilligte Rente ersetzt also das erhaltene Arbeitslosengeld und Krankengeld. Diesen Teilbetrag der Rente zahlt der Rentenversicherungsträger jedoch nicht an den Versicherten aus, sondern erstattet ihn an die Arbeitsagentur bzw. Krankenkasse (Erfüllungsfiktion gemäß § 107 SGB X).

Aktuell hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass der ermäßigte Steuersatz aufgrund Fünftel-Regelung nach § 34 EStG nicht auf eine Rentennachzahlung angewandt wird, die für eine rückwirkend bewilligte Erwerbsminderungsrente gezahlt wird (FG Münster vom 19.9.2019, 5 K 371/19 E).

Der Fall: Der Kläger erhielt nach Beendigung seines Angestelltenverhältnisses im Jahr 2017 zunächst Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte im Jahr 2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und zahlte diese ab dem 1. März 2018 laufend an den Kläger aus.

Für den Zeitraum vom 1. Februar 2017 bis zum 28. Februar 2018 ergab sich eine Rentennachzahlung in Höhe von rund 14.000 Euro, die jedoch fast in vollem Umfang mit Erstattungsansprüchen der Agentur für Arbeit und der Krankenkasse verrechnet wurde. Das Finanzamt berücksichtigte im Jahr 2017 den verrechneten Betrag mit dem Besteuerungsanteil als Renteneinkünfte des Klägers.

Der Kläger beantragte hierfür die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes, da sich die Rentennachzahlung über zwei Veranlagungszeiträume erstrecke und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasse.

Nach Auffassung der Richter ist die Rentennachzahlung in Höhe der Verrechnung aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X bereits im Jahr 2017 zu erfassen. Der ermäßigte Steuersatz finde also keine Anwendung, da es sich nicht um eine „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ handele. Die Nachzahlung habe sich zwar auf zwei Veranlagungszeiträume erstreckt.

Für die Frage, ob sie einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst habe, sei jedoch nur auf den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2017 abzustellen. Die Nachzahlung für die Monate Januar und Februar 2018 stelle dagegen lediglich eine zeitlich verzögerte Auszahlung der das Jahr 2018 betreffenden laufenden Rentenzahlungen und damit von vornherein keine Vergütung für eine mehr-jährige Tätigkeit dar. Diese beiden Monate seien daher bei der Beurteilung des Nachzahlungszeitraums außer Betracht zu lassen.B

Bei rückwirkender Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente gilt steuerlich Folgendes (BFH-Urteil vom 9.12.2015, X R 30/14):

  • Die Erwerbsminderungsrente tritt an die Stelle des Krankengeldes/Arbeitslosengeldes. Es erfolgt aber keine Rückabwicklung zwischen Versichertem und Krankenkasse/Arbeitsagentur und ein Nachholen der Leistung zwischen Rentenversicherungsträger und Versichertem, sondern eine Erstattung des Rentenversicherungsträgers an die Krankenkasse/Arbeitsagentur (§ 107 SGB X).
  • Das gezahlte Krankengeld/Arbeitslosengeld ist in Höhe des Erstattungsanspruchs als Erwerbsminderungsrente mit dem Besteuerungsanteil zu versteuern (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Und zwar mit dem Besteuerungsanteil, wie er für das Bewilligungsjahr maßgebend ist (2018 = 76 %). Nicht maßgebend ist das Jahr, in dem die rückwirkende Zahlung der Rente erfolgt.
  • Nur der Differenzbetrag zwischen ursprünglich gezahltem Krankengeld und dem Erstattungsbetrag bleibt steuer-frei (§ 3 Nr. 1a EStG) und wird lediglich im Progressionsvorbehalt mit erfasst (§ 32b EStG).
  • Soweit über die Verrechnung hinaus rückwirkend eine Erwerbsminderungsrente gezahlt wird, handelt es sich um eine Rentennachzahlung, die im Jahr der Zahlung zu versteuern ist, aber mit dem Besteuerungsanteil des Jahres der Bewilligung.
  • Bestandskräftige Steuerbescheide sind wegen eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern (R 32b Abs. 4 EStR).

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