Legasthenie: Amtsärztliches Attest nur bei auswärtiger Unterbringung erforderlich

Bei einer Lese- und Rechtschreibestörung kann es sich um eine vorübergehende Lernschwäche handeln oder um eine krankhafte Legasthenie oder Dyslexie. Eine Krankheit liegt vor, wenn eine Lese- und Rechtschreibestörung auf einer „isolierten Störung der zerebralen, für das Lesen und Schreiben notwendigen Wahrnehmungsfunktionen bei gleichzeitiger normaler Entwicklung der übrigen zentralen Funktionen beruht“. Dann stellen die Aufwendungen zur Behandlung Krankheitskosten dar und sind als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG – unter Anrechnung einer zumutbaren Belastung – absetzbar.

  • Nach früherer Rechtslage wurden die Kosten nur dann anerkannt, wenn vor Beginn der Behandlung die Lese- und Rechtschreibschwäche des Kindes als krankheitsbedingt durch ein Attest des Amtsarztes oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes bescheinigt worden ist. Ein privatärztliches Attest oder Bescheinigungen des Schulaufsichtsamtes bzw. eines einschlägig tätigen Professors genügten hierzu leider nicht (BFH-Urteil vom 7.6.2000, BStBl. 2001 II S. 94).
  • Der BFH hatte Ende 2010 die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes sowie das Einholen des Attestes vor Behandlungsbeginn nicht mehr für notwendig erachtet (BFH-Urteile vom 11.11.2010, VI R 17/09 und VI R 18/09).
  • Aber mit dem „Steuervereinfachungsgesetz 2011“ vom 1.11.2011 wurde gesetzlich genau bestimmt, in welchen Fällen der Nachweis mittels amtsärztlichem Attest oder ärztlicher Bescheinigung des Medizinischen Dienstes zu erfolgen hat (§ 33 Abs. 4 EStG; § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV 2011). In der Praxis wurde deshalb vielfach angenommen, dass nunmehr auch die alte Rechtslage – das amtsärztliche Attest(!) – bei der Legasthenie wieder greift und Bedingung für die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten ist.

Aktuell hat das Bayerische Landesamt für Steuern zum Thema Legasthenie bei Kindern deutlich darauf hingewiesen, dass mit der Rechtsänderung ab 2011 die Bedingung des amtsärztlichen Attestes bei Legasthenie nicht allgemein wieder eingeführt worden ist und dabei auf folgende feine Unterscheidung hingewiesen (LfSt Bayern vom 10.10.2016, S 2284.1.1-18/1 St32):

  • Ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes ist nur erforderlich „für eine medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen“. Das Attest muss unbedingt vor Beginn der Behandlung oder der Maßnahme ausgestellt sein (§ 64 Abs. 1 Nr. 2c EStDV).
  • In allen anderen Fällen ist es ausreichend, dass die medizinische Notwendigkeit auf andere Art und Weise – auch durch eine Bestätigung eines Arztes – nachgewiesen wird. Werden Aufwendungen für die Behandlung einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, ist zu beachten, dass nicht nur das Vorliegen einer Krankheit zu bestätigen ist, sondern auch, dass die medizinische Indikation der Behandlung bestätigt wird.

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