Steuerbescheidänderung wegen vergessener AfA?

Bestandskräftige Steuerbescheide dürfen vom Finanzamt zu Ihren Lasten nur unter engen Voraussetzungen geändert werden. Eine dieser Möglichkeiten ist die Steuerbescheidänderung von so genannten offenbaren Unrichtigkeiten wie etwa Schreib-, Rechen- und rein mechanischen Fehlern (§ 129 AO). Natürlich ist die Finanzverwaltung mit dem Argument des „mechanischen Fehlers“ schnell bei der Hand. Das heißt, sie behauptet, dass eine inhaltliche Prüfung eines bestimmten Sachverhalts nicht erfolgt sei und sich der Bearbeiter lediglich vertan hat, etwa bei der Eintragung eines Wertes in eine falsche Kennziffer. Und so werden Steuerbescheide berichtigt.

Ganz anders ist die Situation, wenn Ihnen als Steuerbürger ein mechanischer Fehler unterläuft. Zwar gelten Eintragungsfehler, die das Finanzamt vom Steuerzahler mehr oder weniger ungeprüft übernommen hat, als ihre eigenen Fehler, so dass ausnahmsweise auch eine Korrektur zu Ihren Gunsten erfolgen kann, wenn der Fehler später reklamiert wird. Doch Sie ahnen es: Selbstverständlich kommt seitens des Finanzamts reflexartig der Hinweis, dass der Fall geprüft worden und eine Steuerbescheidänderung nicht möglich sei.

Aktuell hat das Hessische Finanzgericht zu dem Fall entschieden, dass ein Steuerbürger mit Vermietungseinkünften irrtümlich die Abschreibung (AfA) für sein Gebäude nicht beantragt hat. Hier kommt eine nachträgliche Berichtigung des Steuerbescheides nach § 129 AO in Betracht, wenn die AfA bereits in den Vorjahren geltend gemacht wurde, sich der AfA-Anspruch ohne weiteres aus der Akte ergibt und seitens des Finanzamts auch kein Prüfhinweis bearbeitet worden ist, der auf die fehlende AfA hingewiesen hat (Urteil vom 10.9.2019, 4 K 1318/18).

Der Fall: Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2014 versäumte sie es durch Unachtsamkeit, in der Anlage V zu dem Grundstück die AfA zu erklären. Bereits 10 Jahre zuvor hatte das Finanzamt für das Grundstück aber eine AfA-Tabelle über die jährlich anzusetzenden AfA-Beträge erstellt und diese in seinem EDV-System hinterlegt.

Bei der Veranlagung berücksichtigte das Finanzamt die nicht erklärten AfA-Beträge nicht als Werbungskosten und erließ einen entsprechenden Steuerbescheid für 2014. Einen Prüfhinweis ließ der Bearbeiter unberücksichtigt. Nachdem die Klägerin bemerkt hatten, dass die AfA für das Objekt unberücksichtigt geblieben war, beantragte sie die Änderung des Einkommensteuerbescheides. Die Einspruchsfrist war bereits abgelaufen. Den Antrag auf Änderung wies das Finanzamt zwar ab, das Finanzgericht gab der Klage aber statt.

Begründung: Früher, im Rahmen der aktengeführten Veranlagung, waren die AfA-Tabellen den Akten vorgeheftet und somit bei jeder Neuveranlagung präsent. Bei Nichtberücksichtigung der Abschreibung konnte also nur ein Versehen und kein Ermittlungsfehler vorliegen. Nichts anderes kann im Rahmen der elektronischen Veranlagung gelten.  Die Daten für die Steuerfestsetzung gelten somit als vom Computer automatisch hinzugezogen. Dies gilt unabhängig davon, ob der jeweilige Bearbeiter einem Prüfhinweis Folge leistet oder insoweit seine Pflicht verletzt und eine Nachsicht in den festsetzungsnahen Daten unterlässt.

Die festsetzungsnahen Daten erfüllen somit vorliegend die Funktion einer Kontrollmitteilung für das Veranlagungsjahr und gelten demgemäß als bei der Veranlagung präsent. Bei wertender Betrachtung liegt daher kein Ermittlungsfehler, sondern ein (pflichtwidriges) Übersehen der gespeicherten Daten und somit eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO vor. Die Steuerbescheidänderung war also im Rahmen de § 129 AO möglich.

Steuererklaerung-Polizei.de

In einem zweiten Urteil vom gleichen Tag sind die Finanzrichter übrigens zu einem anderen Ergebnis gelang und haben die Steuerbescheidänderung nicht zugelassen. Dabei wich der Sachverhalt nur in Nuancen von dem obigen Fall ab. Dies zeigt, dass es bei „offenbaren Unrichtigkeiten“ immer nur Einzelfallentscheidungen gibt. In dem zweiten Verfahren gab es nämlich einen feinen, aber bedeutsamen Unterschied:

Die Kläger waren Eheleute, die statt einer Zusammenveranlagung zwei Einzelveranlagungen beantragt hatten. Und diese erfolgten jeweils unter neuen Steuernummern, so dass die maschinellen Daten gerade nicht der neuen Steuernummer der Klägerin zugeordnet worden sind. Der Bearbeiter hätte vielmehr die Daten, die zu der früheren gemeinsamen Steuernummer der Eheleute hinterlegt waren, aufrufen müssen, um eine sachgerechte Überprüfung durchführen zu können.

Es hätte demzufolge weiterer Ermittlungen des Bearbeiters bedurft. Es liege somit eine unterlassene Sachverhaltsermittlung vor, die kein mechanisches Versehen ist. In solchen Fällen habe das Finanzamt zwar möglicherweise seine Amtsermittlungspflicht verletzt; diese Pflichtverletzung ist aber nicht mit einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen (Hessisches FG, Urteil vom 10.09.2019, 4 K 1018/19).

Gegen dieses Urteil liegt mittlerweile die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Az. IX R 30/19 vor.

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